Unmittelbar nach dem Ende des 2.Weltkrieges war die Erneuerung des Sportbetriebes dem Grunde nach eine sekundäre Sache für die Bevölkerung. Trotzdem gab es einige Sportaktivisten, die bereits Tage nach der Kapitulation den Sportbetrieb in Berlin und in Deutschland wieder aufbauen wollten. Wir versuchen auf dieser Seite, die Meilensteine bei der Sportwiederbelebung, speziell im Jahr 1945, ein wenig gegliedert aufzulisten und die gesellschaftliche Entwicklung auf die Situation in Altglienicke zu adaptieren. Wir hoffen, dass wir bei dieser schwierigen Recherche so nah wie mögich an die Wahrheit kommen und haben die Informationen über das Jahr 1945 in Monatsscheiben untergliedert, um beim Auftauchen neuer Informationen, diese unkompliziert in das richtige Zeitfenster einsortieren zu können. (Quellen auch für weitere Seiten: Wiki, Staatbibliothek- Berliner Zeitung, Sportecho, Fußball-Woche, Handball, Skroning: Fußball in Vergangheit und Gegenwart, Bürgerverein Altglienicke- beide Bücher über Altglienicke, Der Tagesspiegel, Katalog zur Ausstellung "Eine Insel auf der Suche nach Festland- West:Berlin").
Mai 1945- Der Wiederbeginn
Bereits vor dem 08.05.1945 war der Krieg in Altglienicke beendet. Am 23.04.1945 nahmen die sowjetischen Truppen unsere Ortsteil ein und organisierten ungehend eine Verwaltung. Über diese ersten Tage im Frieden kann man in den Büchern des Bürgervereins Altglienicke viel Interessantes finden.
Datum | Ereignis |
23.04.1945 | Die "Rote Armee" erreichte Altglienicke. |
26.04.1945 | Beginn der neuen Verwaltungsarbeit in Altglienicke mit den Schwerpunkten Versorgung und Wiederherstellung der Infrastruktur, |
30.04.1945 | Durch die Alliierten wurde in Altglienicke eine Bürgermeisterei eingesetzt. |
Am 08.05.1945 kapitulierte Nazideutschland und bereits im restlichen Monat Mai erfolgte durch die russischen Alliierten eine Neuorganisation des gesellschaftlichen Lebens in Berlin und Umgebung. Der Sport kam dabei unmittelbar nach Kriegsende schnell wieder in Bewegung. Wir vermuten, dass auch in Altglienicke bereits im Mai 1945 wieder über Sport nachgedacht wurde.
Datum | Ereignis |
02.05.1945 | Ende der Kampfhandlungen in Berlin, |
08.05.1945 | Unterzeichnung der Kapitulation Deutschlands in Berlin Karlshorst, |
16.05.1945 | Erstes Fußballspiel in Berlin nach dem Krieg; in Spandau; Mannschaften nicht bekannt (Quelle: Skorning, FiVuG), |
19.05.1945 | Die sowjetischen Alliierten setzten einen Magistrat für Groß-Berlin als exekutives Organ ein (Magistrat Werner); Quelle: Wiki |
20.05.1945 | Beginn des unorganisierten Spielbetriebes in Berlin an Wochenenden (Quelle: Skorning, FiVuG), |
29.05.1945 | Erster Antrag von ehemaligen Handballsportlern für die Zulassung eines Handballverandes in Berlin an die Sowjetische Kommandantur. Es entstand daraus später eine Handballsparte Berlin im zentralen Sportausschuss des Hauptsportamtes (Quelle: Chronik des H.V.B.). |
30.05.1945 | Wahrscheinlich erste Versammlung Altglienicker Handballer und Fußballer nach dem Krieg (siehe Eintrittskarte unten), |
Ein wichtiger Beleg dafür, dass der Sportbetrieb in Altglienicke bereits unmittelbar nach dem Krieg wieder aufgenommen wurde, ist die nachfolgende Eintrittskarte für ein Vereinsvergnügen am 30.05.1948 anlässlich des dritten Geburtstages der SG Altglienicke. Diese Eintrittskarte erhielten wir vom Bürgerverein Altglienicke. Der 30.05.1948 wurde sicherlich aus organisatorischen Gründen gewählt. Es kann aber auch sein, dass sich wirklich exakt am 30.05.1945 erstmalig wieder Altglienicker Sportler getroffen hatten, um über die Zukunft des Sports in Altglienicke zu befinden. Deshalb haben wir diesen 30.05.1945 in der Monatsscheibe Mai 1945 als Meilenstein benannt. Die nachfolgenden Sportfreunde waren die Macher der ersten Stunde.
Fotos oben links: Otto Hentschel - Gründer des BSC Freiheit 1906 und Initiator der Fusion der Arbeitersportvereine 1912 und 1914; oben rechts: Willi Braune - Handballer in der TuSV Altglienicke 1906 und später beim MTV Spieß; unten links: Gustav Rockel 1.Vorsitzender Fußball beim AGBC 1909 und Spartenleiter in der "Ortsgruppe Altglienicke, unten rechts - Willi Sadowski Spartenleiter Handball in der "Ortsgruppe Altglienicke".
Juni 1945 - Bildung des Hauptsportamtes im Magistrat
Datum | Ereignis |
05.06.1945 | Unterzeichnung einer Vereinbarung der alliierten Streitkräfte über die Viermächteverwaltung für Gesamt-Berlin; beruhend auf dem Londoner Protokoll der European Advisory Commission vom 12.09.1944 mit dem Inhalt: Aufteilung von Deutschland und von Berlin (Quelle: Ausstellungskatalog ... West-Berlin). |
07.06.1945 | Bildung des "Hauptsportamtes" im Magistrat von Groß-Berlin mit der Unterorganisation "Zentraler Sportausschuss", einschl. Bildung der Bezirkssportämter. Startschuss zur Organisation des "Kommunalsports" (Quelle: Wiki unter LSB Berlin). Mitglieder des Hauptsportamtes waren: Franz Müller, Max Preuß, Hans Mickin, Hans Sobek, Otto Schippke, Arne Köblin, Dr. Carl Diem, Karl Kosel, Arthur Priefert, Frieda Trampe. Die russische Kommandantur benannte einige Sportfreunde auch als Spartenleiter für die Sportarten; bei Fußball z.B. Arthur Priefert (Quelle: Buch Fußball in Berlin). |
Das von den russichen Alliierten zugelassene Hauptsportamt (teilweise auch als Zentralsportamt oder Sportamt der Stadt Berlin bezeichnet) im neuen Magistrat sollte den Sportbetrieb in Gesamt-Berlin organisieren. Dem Hauptsportamt waren 21 Bezirkssportämter untergeordnet. Diese Bezirkssportämter haben wahrscheinlich die kommunalen Verwaltungen aufgefordert, Meldungen über einen gewünschten kommunalen Sportbetrieb zu erwirken. Die Meldungen beinhalteten u.a die Namen von teilnehmenden Sportlern. Diese mussten im betreffenden Ortsteil wohnen. Die Startmeldungen konnten die Ortsgruppen bei den Geschäftstellen für kommunale Mitarbeit in den Verwaltungsbezirken oder im zuständigen Rathaus abgegeben. Wir gehen davon aus, dass ab Juni 1945 auch in Altglienicke über die Bildung von Ballspielgruppen nachgedacht wurde. Ballspiele wurden durch die Alliierten genehmigt. Paramilitärische Sportarten wie z.B. das Turnen waren verboten. Paul Schulze (Ehrenmitglied der VSG) schrieb in seinem Gedächtnisprotokoll nachfolgendes:
Juli 1945- Berlin wird Viermächte-Stadt
Datum | Ereignis |
04.07.1945 | Übernahme des Besatzungsstatus durch die drei Westmächte in Berlin nach der Vereinbarung vom 05.06.1945 (Quelle: Wiki), |
xx.07.1945 | Bildung von Sportspartenleitungen zur Organisation von Meisterschafts- und Pokalrunden ab September 1945, |
xx.07.1945 | Die Sportspartenleitung Fußball wird gebildet: Priefert, Boss, Witzke, Schmidt/Pankow, Schmidt/Wedding, Levin, Tilgner, Kegel, Vossen; |
30.07.1945 | Konstituierung des Alliierten Kontrollrates für Gesamt-Berlin, |
Im Juli 1945 müssen sich in Altglienicke die Fußballer und die Handballer unter der Leitung der oben genannten Aktivposten zusammengefunden haben, um eine "Ortsgruppe Altglienicke" für die Sportarten Fußball und Handball zu bilden und die Meldung für den Spielbetrieb vorzubereiten.
August 1945- Die Spielrunden werden vorbereitet
In Zeitungen aus dem August 1945 findet man eine Vielzahl von Ansetzungen und Ergebnismeldungen der Sportarten Fußball, Handball und Hockey. Diese Spiele wurden ohne Zuordnungen von Staffeln durchgeführt und trugen somit den Charakter von Gesellschaftsspielen. Die ab Juli 1945 bestimmten Spartenleitungen Fußball und Handball des Hauptsportamtes begannen mit der unmittelbaren Organisation erster Meisterschaftsrunden ab September 1945. Im Fußball wurden vier Abschnitte gebildet (Norden, Osten, Süden, Westen). Am 09.08.1945 wurden in der Berliner Zeitung Mitteilungen der Regionalgruppen hinsichtlich der Organisation des zukünftigen Spielbetriebes veröffentlicht.
September 1945- "Ortsgruppe Altgliencke" beginnt den Spielbetrieb
Datum | Ereignis |
01.09.1945 | Beginn der Rundenspiele in Berlin mit ca. 100 Fußballmannschaften (Quelle: Skorning, FiVuG); auch Handball, |
02.09.1945 | Erste Ansetzung nach dem Krieg für eine Altglienicker Fußballmannschaft- Abschnitt Ost/ 1.Mannschaften: u.a. Alt-Glienicke gegen Lichtenberg-Nord (Quelle: Berliner Zeitung), |
23.09.1945 | Erste Ansetzung nach dem Krieg für eine Altglienicker Handballmannschaft der Männer- Kreuzberg II- Alt-Glienicke, Tib-Platz, Lilienthalstraße 17 (Quelle: Berliner Zeitung), |
23.09.1945 | Erste Ansetzung nach dem Krieg für eine Altglienicker Handballmannschaft der Frauen- Bohnsdorf- Alt-Glienicke, Am Buntzelberg (Quelle: Berliner Zeitung), |
Oktober 1945- Beginn der politischen Auflösung der alten Organisationen und Vereine
Am 10.10.1945 wurde das Kontrollratsgesetz Nr. 2- Liquidierung der Naziorganisationen in Kraft gesetzt.
Unter Artikel I.1 ist zu finden: "Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, ihre Gliederungen, die ihr angeschlossenen Verbindungen und die von ihr abhängigen Organisationen, einschließlich der halbmilitärischen Organisationen und aller anderen Nazieinrichtungen, die von der Partei als Werkzeuge ihrer Herrschaft geschaffen wurden, sind durch vorliegendes Gesetz abgeschafft und für ungesetzlich erklärt."
Im Anhang zu diesem Kontrollratsgesetz findet man eine Auflistung aller zu verbietenen Organisationen; unter Ziffer "43- NS-Reichsbund für Leibesübungen" zu dem auch alle Sportfachämter und Sportvereine gehörten.
Im Monat Oktober nahmen die Mannschaften der kommunalen "Ortsgruppe Altglienicke" an den Punktspielrunden der Sparten Fußball und Handball Groß-Berlin teil. Leider gibt es von den Spielen nahezu keine Ergebnismeldungen.
November 1945- Sportbetrieb in zugelassenen Sportarten
Im Monat November nahmen die Mannschaften der kommunalen "Ortsgruppe Altglienicke" weiterhin an den Punktspielrunden der Sparten Fußball und Handball Groß-Berlin teil. Hinsichtlich Betätigung von Sportvereinen entsprechend des 2.Alliierten Kontrollratgesetzes wurde im Tagessspiegel vom 22.11.1945 nachfolgende Information über zugelassene Sportarten veröffentlicht. Handball wurde in dieser Aufstellung vergessen. In diesem Artikel wurde die Auflösung aller anderen Sportabteilungen bis zum 25.11.1945 angemahnt.
Dezember 1945- Endgültige Auflösung der alten Organisationen und Vereine
Am 17.12.1945 wurde die Direktive Nr. 23 des Alliierten Kontrollrats in Deutschland zur "Beschränkung und Entmilitarisierung des Sportwesens in Deutschland" erlassen. Im Tagesspiegel vom 22.12.1945 wird der Text dieser Direktive veröffentlicht. Der Wortlaut weicht ein wenig vom Originaltext ab ohne das inhaltliche Verfälschungen auftreten. Wurde mit dem 2.Alliierten Kontrollratsgesetz vom 10.10.1945 unter Ziffer 43 der "Nationalsozialistische Reichsbund für Leibesübungen" verboten und damit auch dessen Unterorganisationen, so wurden in dieser Direktive unter Ziffer 1 eindeutig unter dem Begriff "Organisationen" die "Klubs" genannt. Damit waren alle Vereine gemeint, also auch der Altglienicker Ballspiel Club 1909 und der MTV Spieß Altglienicke von 1883.
Die angeordnete Auflösung der Vereine zum 01.01.1946 sollte damit unabhängig von der bereits Mitte 1945 erfolgten Bildung von kommunalen Mannschaften als die Stunde "Null" für unseren heutigen Mehrspartenverein in Altglienicke betrachtet werden, der aus der "Ortsgruppe Altglienicke" hervorgegangen ist und heute allgemein unter VSG Altglienicke e.V. bekannt ist. Eine "Neugründung" des MTV Spieß Altglienicke von 1883 und des Altglienicker Ballspiel Clubs 1909 erfolgte nie wieder. Es ist jedoch legitim, dass man den Beginn des Altglienicker Fußballs und den Beginn des Altglienicker Handballs mit diesen Vereinen aus der Tradition heraus in Verbindung bringt (einschl. Gründung des BSC Freiheit in 1906 mit der Sparte Fußball). Eine Umbenennung des heutigen Mehrspartenvereins VSG Altglienicke e.V. in einen ehemaligen Altglienicker Einzelsportart-Verein ist völlig abwegig und würde sicherlich vereinsintern zu heftigsten Protesten führen.
Im Monat Daezmber nahmen die Mannschaften der kommunalen "Ortsgruppe Altglienicke" weiterhin an den Punktspielrunden der Sparten Fußball und Handball Groß-Berlin teil. Diese Spielrunden bis Ende 1945 waren dem Grunde nach Qualifikationsrunden und Sichtungsrunden, um für das Frühjahr 1946 erste Spielklassenstrukturen einführen zu können.